Der Fahrer eines Müllfahrzeugs fährt gegen den Preismast einer Tankstelle –
Betriebsgefahr, kein Verschulden. Dann entfernt der Fahrer das Müllfahrzeug
vom beschädigten Mast, der nach dem untauglichen Rettungsversuch eines
Dritten später umstürzt – schuldhaft mit erhöhter Haftungsquote. Diese
Rechtslage hat das Oberlandesgericht Hamm festgestellt und der geschädigten
Tankstellenbetreiberin einen anteiligen Schadensersatz in Höhe von rund 5200
Euro zugesprochen.
Zum Hintergrund: Der Betreiber der Tankstelle in Rheine ließ im Jahr 2010
einen Preismast errichten. Dieser ragte mit einer Durchfahrtshöhe von nur
3,825 Meter in eine zuvor unbeschränkt befahrbare Zufahrt, die von
Müllfahrzeugen genutzt wurde, um zu den Müllbehältern auf dem
Tankstellengelände zu gelangen. Im Juli 2010 beschädigte ein, für die
Durchfahrtshöhe wenige Zentimeter zu hohes, Müllfahrzeug den neu
errichteten, aber noch nicht vollständig einbetonierten Preismasten, als es
unter dem Mast durchfuhr. Der dadurch schrägstehende Preismast stürzte um,
nachdem der Fahrer das Müllfahrzeug vom Schadensort entfernt und ein zuvor
unbeteiligter Fahrer eines Schwerlastfahrzeugs – unfachmännisch – versucht
hatte, den Mast wieder gerade aufzurichten.
Vor dem Unfall hatte der Tankstellenbetreiber weder das nun von ihm beklagte
Entsorgungsunternehmen noch dessen Fahrer auf die Durchfahrtshöhe des neuen
Preismastes hingewiesen.
Durch den Anprall des Müllfahrzeugs entstand ein Schaden von circa 13.500
Euro an dem Preismast, der sich durch den Umsturz des Mastes auf circa
33.100 Euro erhöhte. Unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr des
Müllfahrzeugs zahlte der Haftpflichtversicherer des Beklagten zur
Schadensregulierung außergerichtlich rund 4500 Euro. Den restlichen Schaden
hat der Tankstellenbetreiber klageweise geltend gemacht.
Mit der Entscheidung des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ist die
Schadensersatzklage in Höhe von weiteren rund 5200 Euro erfolgreich gewesen.
Das Entsorgungsunternehmen hafte aufgrund der Betriebsgefahr ihres
Müllfahrzeugs zu 20 Prozent für den durch den Anprall des Fahrzeugs an dem
Preismast entstandenen Schaden, so der Senat. Insoweit sei dem im Prozess
mitverklagten Fahrer kein Verschulden anzulasten, weil er die zu geringe
Durchfahrtshöhe auch bei seiner besonders vorsichtigen Fahrweise nicht
zuverlässig habe abschätzen können. Zudem sei er auf der üblichen, vor dem
Aufstellen des Mastes gefahrlos zu passierenden Wegstrecke zu den
Müllcontainern gefahren. Auf die geringe Durchfahrtshöhe des neuen
Preismastes habe die Klägerin weder das Entsorgungsunternehmen noch ihren
Fahrer hingewiesen.
Allerdings habe der Fahrer den Schaden vergrößert, indem er den Lkw
weggesetzt habe, ohne dass der beschädigte, schrägstehende Preismast zuvor
abgesichert oder abgestützt worden sei. Der sich anschließende,
unfachmännische Rettungsversuch eines Dritten sei in der Situation
vorhersehbar gewesen und der Beklagten daher haftungsrechtlich zuzurechnen.
Das weitere, zum Umsturz des Mastes führende Geschehen rechtfertige eine
Haftungsquote von einem Drittel zulasten des beklagten Arbeitgebers des
Fahrers des Müllfahrzeugs.
Für den Schaden sei die Klägerin allerdings überwiegend selbst
verantwortlich, so der Senat weiter. Sie habe ihre obliegende
Sicherungspflichten verletzt, weil sie den Lkw-Verkehr auf ihrem Grundstück
bei der Planung und Errichtung des neuen Preismastes nicht ausreichend
berücksichtigt habe. Im Unterschied zur Warnbeschilderung an anderen Stellen
des Tankstellengeländes habe sie im Bereich des neuen Preismastes zudem kein
Warnschild angebracht, um auf die Durchfahrtshöhe hinzuweisen, und es
außerdem versäumt, die Befestigung des Mastes zeitnah fertigzustellen
beziehungsweise ihn bis dahin abzusperren oder abzusichern.
Oberlandesgericht Hamm
Urteil vom vom 24. Januar 2017 – 9 U 54/15
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