Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 1. Januar 2017 auf 8,77 Euro pro
Stunde. Des Öfteren hat die festgeschriebene Lohnuntergrenze von aktuell
noch 8,50 Euro in jüngerer Vergangenheit zu Verfahren bis vor das
Bundesarbeitsgericht geführt.

Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich
geleistete Arbeitsstunde. Er erfüllt den Anspruch durch die im
arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis als Gegenleistung für Arbeit
erbrachten Entgeltzahlungen.

Der Arbeitsvertrag einer in Vollzeit beschäftigten Mitarbeiterin sieht der
neben einem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge sowie Urlaubs- und
Weihnachtsgeld vor. Im Dezember 2014 schloss der Arbeitgeber mit dem
Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Auszahlung der
Jahressonderzahlungen. Seit Januar 2015 wurde der Mitarbeiterin allmonatlich
neben dem Bruttogehalt von 1391,36 Euro je 1/12 des Urlaubs- und des
Weihnachtsgelds, in der Summe 1507,30 Euro brutto, gezahlt.

Die Frau macht in ihrer Klage geltend, ihr Monatsgehalt und die
Jahressonderzahlungen müssten ebenso wie die vertraglich zugesagten
Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf der Basis des
gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro brutto/Stunde geleistet werden. Das
Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht sprach ihr
lediglich Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 0,80 Euro brutto zu. Die
Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Der gesetzliche Mindestlohn tritt als eigenständiger Anspruch neben die
bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändert diese aber nicht. Der nach den
tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der
Klägerin für den Zeitraum Januar bis November 2015 sieht das
Bundesarbeitsgericht als erfüllt, denn auch den vorbehaltlos und
unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten
Jahressonderzahlungen kommt Erfüllungswirkung zu.

Zur vergütungspflichtigen Arbeit rechnen auch Bereitschaftszeiten, während
derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort –
innerhalb oder außerhalb des Betriebs – bereithalten muss, um bei Bedarf die
Arbeit aufzunehmen.

Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen einer Vier-Tage-Woche in
Zwölf-Stunden-Schichten durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich beschäftigt.
Es fallen regelmäßig Bereitschaftszeiten an. Sein Bruttomonatsgehalt beläuft
sich auf 2680,31 Euro nebst Zulagen.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Bereitschaftszeit würde nicht mit dem
gesetzlichen Mindestlohn vergütet werden. Durch das Inkrafttreten des
Mindestlohngesetzes sei die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche
Vergütungsregelung unwirksam geworden. Deshalb stehe ihm die übliche
Vergütung von 15,81 Euro brutto je Arbeitsstunde zu.

Alle Instanzen wiesen auch diese Klage ab. Dem Kläger steht für seine im
Januar und Februar 2015 geleisteten Bereitschaftszeiten keine weitere
Vergütung zu. Zwar ist Bereitschaftszeit mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu
vergüten, der Anspruch des Klägers hierauf ist aber erfüllt. Bei maximal 228
Arbeitsstunden, die der Kläger mit Vollarbeit und Bereitschaftszeiten in
einem Monat tatsächlich leisten kann, erreicht die gezahlte Monatsvergütung
den gesetzlichen Mindestlohn (228 Stunden zu 8,50 Euro = 1.938,00 Euro
brutto monatlich) nicht nur, sondern übersteigt ihn. Ein Anspruch auf
weitere Vergütung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (gemäß § 612 Abs. 2 BGB)
besteht nicht. Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche
Vergütungsregelung ist nicht wegen des Inkrafttretens des
Mindestlohngesetzes unwirksam geworden.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 (Fall 1)
Urteil
vom 29. Juni 2016 – 5 AZR 716/15 (Fall 2)