Das Erfordernis, dass Bewerber um eine bei der Kirche zu besetzende Stelle
einer bestimmten Religion angehören, muss Gegenstand einer wirksamen
gerichtlichen Kontrolle sein können. Dieses Erfordernis muss notwendig und
angesichts des Ethos der Kirche aufgrund der Art der in Rede stehenden
beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sein
und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen, sagt der
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg.

Damit stehen die Kirche und ihre Einrichtungen als einer der größten
Arbeitgeber Deutschlands mit rund 1,3 Millionen Mitarbeitern und ihr
spezielles Kirchenarbeitsrecht vor einer Kehrtwende. Bislang gewährte das
deutsche Grundgesetz den Kirchen großzügige Autonomie. Dazu gehörte auch die
eigenständige Festlegung, ob und wann Mitarbeiter den Glauben des
Arbeitgebers teilen müssen. Deshalb sieht auch das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz für Kirchen explizit Ausnahmen vom
Diskriminierungsverbot vor. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit seiner
oben genannten Grundsatzentscheidung für europarechtswidrig erklärt.

Heißt: Die Religionszugehörigkeit müsse nun ausdrücklich notwendig sein für
die konkrete Tätigkeit, so der EuGH. Zwar stünde es den staatlichen
Gerichten im Regelfall nicht zu, über das der angeführten beruflichen
Anforderung zugrunde liegende Ethos als solches zu befinden. Gleichwohl
haben sie festzustellen, ob die drei Kriterien “wesentlich, rechtmäßig und
gerechtfertigt” in Anbetracht dieses Ethos im Einzelfall erfüllt werden.
Demnach haben die staatlichen Gerichte zu prüfen, ob die Anforderung
notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche (bzw.
Organisation) aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit
oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist.

Im konkreten Fall bewarb sich die konfessionslose Klägerin im Jahr 2012 auf
eine Stelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung
(Deutschland). Es handelte sich dabei um eine befristete Anstellung für ein
konkretes Projekt. Das Aufgabengebiet umfasste sowohl die Vertretung der
Diakonie Deutschland gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit als auch
die Koordinierung des internen Meinungsbildungsprozesses. Nach der
Stellenausschreibung mussten die Bewerber Mitglied einer evangelischen oder
der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehörenden
Kirche sein. Die Klägerin wurde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen,
woraufhin sie das Diakonische Werk wegen Diskriminierung auf eine
Entschädigung von knapp 9800 Euro verklagte.

Das Bundesarbeitsgericht hatte den Europäischen Gerichtshof um die Auslegung
der Antidiskriminierungsrichtlinie ersucht. Diese zielt auf den Schutz des
Grundrechts der Arbeitnehmer ab, nicht unter anderem wegen ihrer Religion
oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, soll aber auch dem im
Unionsrecht – insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union – anerkannten Recht der Kirchen (und der anderen öffentlichen oder
privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder
Weltanschauungen beruht) auf Autonomie Rechnung tragen.

Das Bundesarbeitsgericht muss den Fall nun unter der Berücksichtigung des
Urteils des EuGH bewerten.

Gerichtshof der Euopäischen Union
Urteil vom 17. April 2018 –
C-414/16

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