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Fahrradlieferanten (sogenannte “Rider”), die ihre Aufträge über eine Smartphone-App erhalten, haben Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen die ihre Tätigkeit essentiellen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt. Dazu gehören ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes internetfähiges Mobiltelefon. Ein entsprechendes Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts, über das wir hier bereits berichteten, wurde jetzt vom Bundesarbeitsgericht bestätigt.

Der Kläger liefert Speisen und Getränke aus, die Kunden über das Internet bei verschiedenen Restaurants bestellen. Für seine Lieferfahrten benutzte er bisher sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Mobiltelefon. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihm und seinem Arbeitgeber, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Der Arbeitgeber gewährt seinem Fahrradlieferanten dafür eine Reparaturgutschrift von 0,25 Euro pro gearbeiteter Stunde, die ausschließlich bei einem von ihr bestimmten Unternehmen eingelöst werden kann.

Das Gericht bestätigt zwar, dass von dem Grundsatz, dass essentielle Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden müssen, vertraglich Abweichungen vereinbart werden können. Und geschieht dies in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers, sind diese nur dann wirksam, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung zusagt wird. Die in diesem Fall getroffene Vereinbarung benachteilige den Lieferfahrer allerdings unangemessen, so das Bundesarbeitsgericht mit Verweis auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Vorgehensweise des beklagten Arbeitgebers widerspricht dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel zu stellen und für deren Funktionsfähigkeit zu sorgen hat, und somit er das Risiko für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung trägt. Dieses lag gier vielmehr beim Arbeitnehmer.  Die von Gesetzes wegen bestehende Möglichkeit, über § 670 BGB Aufwendungsersatz verlangen zu können, stellt hier keine angemessene Kompensation dar.

Die Höhe des dem Kläger zur Verfügung gestellten Reparaturbudgets orientiert sich nicht an der Fahrleistung, sondern an der damit nur mittelbar zusammenhängenden Arbeitszeit. Der Kläger kann über das Budget auch nicht frei verfügen, sondern es nur bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Unternehmen einlösen. In der Wahl der Werkstatt ist er nicht frei. Für die Nutzung des Mobiltelefons ist überhaupt kein finanzieller Ausgleich vorgesehen. Der Kläger kann deshalb vom Arbeitgeber verlangen, dass ihm die für die vereinbarte Tätigkeit als “Rider” notwendigen essentiellen Arbeitsmittel – ein geeignetes verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon, auf das die Lieferaufträge und Lieferadressen mit der hierfür verwendeten App übermittelt werden – bereitgestellt wird. Er kann nicht auf nachgelagerte Ansprüche wie Aufwendungsersatz oder Annahmeverzugslohn verwiesen werden.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 10. November 2021 – 5 AZR 334/21