Streitpunkt merkantiler Minderwert
Kaum eine andere Schadenposition ist in rechtlicher und tatsächlicher
Hinsicht so problematisch wie der merkantile Minderwert. Hierbei handelt es
sich um die Minderung des Verkaufwertes, die trotz völliger und
ordnungsgemäßer Instandsetzung des Fahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil
bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen
gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den
Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht.
Nicht selten liegt aus der Sicht des Geschädigten das Hauptproblem bei
seinem eigenen Sachverständigen. Denn aus einer Reihe von Gründen schätzen
die meisten Sachverständigen den merkantilen Minderwert – wenn überhaupt –
tendenziell zu niedrig. Insbesondere fehlt dann jede Äußerung zu einem
merkantilen Minderwert, wenn das Unfallfahrzeug älter als fünf Jahre
und/oder eine Gesamtlaufleistung mehr als 100.000 km aufweist. Das es
insbesondere keine starre Kilometergrenze oberhalb einer Fahrleistung von
100.000 km gibt, hat das Oberlandesgericht Oldenburg jüngst in seinem Urteil
vom 1.3.2007 – 8U346/06 – entschieden.
Das Oberlandesgericht änderte die Entscheidung des Landgerichtes, welches
den Ersatz eines merkantilen Minderwertes bei einem 3 ½ Jahre alten Audi A6
Avant TDI mit einer Laufleistung von 195.648 km ablehnte. Nach Ansicht des
Oberlandesgericht Oldenburg stehe die hohe Laufleistung einem Anspruch auf
Ersatz des merkantilen Minderwertes nicht entgegen. Maßgeblich sei nicht die
Laufleistung allein, sondern deren Bedeutung für die Bewertung des
Fahrzeuges auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Diese Bedeutung kann sich im Laufe
der Zeit mit den technischen Entwicklungen den zunehmenden Langlebigkeit der
Fahrzeuge ändern.
Damit knüpft das Oberlandesgericht an eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 23.11.2004 an. Dort hatte der Bundesgerichtshof zwar
einen merkantilen Minderwert bei einem 16 Jahre alten Fahrzeug mit einer
Laufleistung von 164.000 km abgelehnt, er wies in den Entscheidungsgründen
jedoch darauf hin, das die Feststellung eines merkantilen Minderwertes im
Einzelfall durch den Richter, ggf. nach Beratung durch einen
Sachverständigen, zu schätzen sei. Entscheidend ist, das der Richter alle
maßgeblichen Kriterien (Alter, Mängel, Pflegezustand, Marktgängigkeit,
Laufleistung, Art des Schreibens) berücksichtigt.
Der Geschädigte sollte folgende Faustregeln beachten: Bei geschätzten oder
effektiven Reparaturkosten unter 10% des Wiederbeschaffungswertes scheidet
ein merkantiler Minderwert in den meisten Fällen aus. Je jünger und teurer
das Fahrzeug ist und je höher die Reparaturkosten im Verhältnis zum
Wiederbeschaffungswert liegen, desto größer ist der merkantile Minderwert.
Tipp: Wenn der Sachverständige trotz vergleichsweise hoher Reparaturkosten
kein oder nur ein auffallend niedrigen merkantilen Minderwert ermittelt hat,
muss nachgefragt werden. Der Geschädigte hat in diesem Fall jedenfalls
Anspruch darauf, dass der Sachverständige seine Erwägungen zur Bemessung des
merkantilen Minderwertes, ggf. gesondert, schriftlich mitteilt.
Für weitere Fragen steht ihnen unser Fachanwalt für Verkehrsrecht, Herr
Rechtsanwalt Ralf Rütter, gerne zur Verfügung.