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Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) legt eine Höchstdauer fest, wie lange ein Leiharbeitnehmer bei einem Ausleihbetrieb beschäftigt werden darf. Darüber hinaus gehend würde ein festes Arbeitsverhältnis mit dem Beschäftigten zustande kommen. Aber wie sieht es aus, wenn der Entleihbetrieb zwischenzeitlich verkauft wird? Beginnt die Überlassung dann von vorne? Mit dieser Frage hatte sich das Bundesarbeitsgericht zu befassen.
Die Beklagte gehört einer Unternehmensgruppe an, die unter anderem Sanitärarmaturen herstellt. Als Unternehmen für Logistik unterhält er am Ort der Produktionsstätte einen Betrieb, in dem die Produkte verpackt, gelagert und für den Transport vorbereitet werden. Die vormals von dem Produktionsunternehmen als Betriebsteil selbst geführte Logistik ist zum 1. Juli 2018 auf die Beklagte übergegangen. Der Kläger war in der Logistik durchgängig vom 16. Juni 2017 bis zum 6. April 2022 als Leiharbeitnehmer mit der Kommissionierung von Produkten betraut. Bis zu dem Betriebsteilübergang am 1. Juli 2018 war das Produktionsunternehmen der Entleiher.
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG) bestimmt, dass ein Zeitarbeitsunternehmen denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate “demselben Entleiher” überlassen darf, wobei durch oder aufgrund Tarifvertrags der Einsatzbranche eine vom Gesetz abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden kann. Hier ist die Beklagte genauso wie das vorherige Produktionsunternehmen Mitglied des Verbands der Metall- und Elektroindustrie NRW.
Der Leiharbeitnehmer macht als Kläger geltend, dass zum 16. Dezember 2018 wegen Überschreitens der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Das Produktionsunternehmen als Betriebsveräußerer und die Beklagte als Betriebserwerberin seien als derselbe Entleiher anzusehen. Die Beklagte vertritt die gegenteilige Auffassung. Im Fall eines Übergangs des Einsatzbetriebs auf einen anderen Inhaber beginne die Überlassungshöchstdauer neu zu laufen. Dies gelte auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer nach dem Übergang des Betriebs unverändert auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt werde. Die Beklagte beruft sich außerdem darauf, dass die gesetzlich zulässige Überlassungshöchstdauer aufgrund Tarifvertrags durch Betriebsvereinbarungen auf zuletzt 48 Monate verlängert worden sei.
Das Bundesarbeitsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es sei zu klären, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei der Berechnung der Überlassungsdauer im Fall eines Betriebsübergangs Veräußerer und Erwerber als ein “entleihendes Unternehmen” im Sinne der unionsrechtlichen Richtlinie 2008/104/EG anzusehen sind. Davon hängt es ab, ob das feste Arbeitsverhältnis mit der Beklagten 18 Monate nach der Überlassung des Klägers zum 16. Dezember 2018 oder erst 18 Monate nach dem Betriebsteilübergang, also zum 1. Januar 2020, zustande gekommen ist.
Auf die abweichend vom Gesetz nach dem Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens zulässige Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten konnte sich die Beklagte indes nicht berufen. Sie unterhält keinen Hilfs- oder Nebenbetrieb, der dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrags unterliegt. Die dort anfallenden Logistiktätigkeiten sind nicht Teil des Fertigungsprozesses.
Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 1. Oktober 2024 – 9 AZR 264/23 (A)