Entwendet eine Verkäuferin Zigarettenpackungen aus dem Warenbestand des
Arbeitgebers, kann dies auch nach längerer – im Streitfall zehnjähriger –
Betriebszugehörigkeit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.
Führte eine verdeckte Videoüberwachung zur Überführung der Täterin, kann das
auf diese Weise gewonnene Beweismaterial im Bestreitensfall prozessual
allerdings nicht ohne Weiteres verwertet werden. Das entsprechende Interesse
des Arbeitgebers hat gegenüber dem Schutz des informationellen
Selbstbestimmungsrechts der Arbeitnehmerin nur dann höheres Gewicht, wenn
die Art der Informationsbeschaffung trotz der mit ihr verbundenen
Persönlichkeitsbeeinträchtigung als schutzbedürftig zu qualifizieren ist.

Dies ist bei verdeckter Videoüberwachung nur dann der Fall, wenn der
konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren
Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers bestand, es keine Möglichkeit zur
Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen (mehr) gab und die
Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig war. Unter diesen
strengen Voraussetzungen wiederum stehen Vorschriften des
Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) der verdeckten Videoüberwachung auch an
öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen nicht entgegen. Zwar bestimmt § 6b
Abs. 2 BDSG, dass bei Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen
der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle erkennbar zu
machen sind. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht wird aber nicht jedwede
Videoüberwachungsmaßnahme an öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen per se
unzulässig.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des
Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, soweit
diese die Kündigungsschutzklage einer Verkäuferin abgewiesen hat. Die
Beklagte ist ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen. Die Klägerin
war bei ihr zuletzt als stellvertretende Filialleiterin beschäftigt. Für
drei Wochen im Dezember 2008 installierte die Beklagte mit Zustimmung des
Betriebsrats verdeckte Videokameras in den Verkaufsräumen. Sie hat geltend
gemacht, es habe der Verdacht bestanden, dass auch Mitarbeiterdiebstähle zu
hohen Inventurdifferenzen beigetragen hätten. Auf dem Mitschnitt sei zu
sehen, wie die Klägerin bei zwei Gelegenheiten jeweils zumindest eine
Zigarettenpackung aus dem Warenbestand entwendet habe. Die Beklagte kündigte
das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Die Klägerin hat
bestritten, Zigaretten entwendet zu haben. Nach Einnahme des Augenscheins in
die Videoaufzeichnungen hat das Landesarbeitsgericht den Kündigungsvorwurf
als erwiesen erachtet und die Klage gegen die ordentliche Kündigung
abgewiesen.

Der Senat hat die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht
zurückverwiesen. Zwar ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu
beanstanden, die – allein noch im Streit stehende – ordentliche Kündigung
sei nach dem zugrunde gelegten Sachverhalt sozial gerechtfertigt. Es steht
aber noch nicht fest, ob die Voraussetzungen für eine prozessuale Verwertung
der Videoaufzeichnungen gegeben sind.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 153/11

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