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Im Amt für Verkehrsüberwachung kam es zur Annullierung zahlreicher Verkehrsverstöße von Mitarbeitern. Einer Mitarbeiterin, die schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, wollte die Stadt daraufhin außerordentlich kündigen. Der Landschaftsverband als Integrationsamt verweigerte aber seine Zustimmung.
Die Hintergründe: Die betroffene Mitarbeiterin war im Bereich der Verkehrsüberwachung tätig. Die Stadt als Arbeitgeberin warf ihr vor, dass die Frau von einer anderen Mitarbeiterin im April 2019 verlangt hatte, die Verwarnung ihrer Tochter zu annullieren und sie selbst nicht bei Parkverstößen zu verwarnen. Hierzu soll sie vorab mitgeteilt haben, wann sie wo im Stadtgebiet parke.
Die Stadt stellte hierzu umfangreiche Ermittlungen an, nachdem die damalige Abteilungsleiterin im Fachbereich Öffentliche Ordnung am 31. Juli 2019 über den Sachverhalt informiert wurde. Sie ließ prüfen, wie viele und welche Verwarnungen in den Jahren 2012 bis 2019 annulliert wurden. Die im gesamten Bereich der Verkehrsüberwachung ermittelten 2781 ungültig gesetzten Verwarnungen ließ sie in eine Excel-Liste übertragen, um eventuelle Muster im Hinblick auf mehrfache begünstigte Halter anhand der Kfz-Kennzeichen zu erkennen. Dieser weiteren Ermittlung ging sie nachfolgend nicht weiter nach und beantragte am 18. November 2019 beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der städtischen Mitarbeiterin. Weil die Frau schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, musste der LWL als Integrationsamt einbezogen werden.
Der LWL verweigerte die Zustimmung, weil die Klägerin sie nicht binnen der gesetzlichen Frist von zwei Wochen ab Kenntniserlangung von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen beantragt habe.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat den LWL verpflichtet, die Zustimmung zu erteilen. Die Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung haben die Frist für den Antrag auf Zustimmung gehemmt. Die Stadt durfte den Sachverhalt wegen der im Raum stehenden Vorwürfe, das vorgeworfene Verhalten der Mitarbeiterin sei im Bereich der Verkehrsüberwachung der Stadtverwaltung üblich und weitere Beschäftigte dort würden vergleichbar handeln, aufklären. Diese Ermittlung dauerte circa zweieinhalb Monate. Die ermittelten 2781 annullierten Verwarnungen in acht Jahren hat die Stadt ohne feststellbare Verzögerungen untersucht.
Die Konzentration auf die Beschäftigte, anstatt die erhebliche Dimension der Annullierungen weiter aufzuklären, ist auch vertretbar. Zwischen frühester sicherer und möglichst vollständiger Kenntniserlangung der nach Auffassung der Stadt zur Kündigung berechtigenden Umstände sowie dem Antrag auf Zustimmung lagen keine zwei Wochen. Der geltend gemachte Kündigungsgrund steht zur Überzeugung des Gerichts nicht im Zusammenhang mit der Behinderung der Frau.
In dem Verfahren kam es lediglich auf die Einhaltung der Frist für den Antrag auf Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt an. Nach Erteilung der Zustimmung kann die Klägerin die Kündigung aussprechen. Der Streit darüber wäre dann vor den Arbeitsgerichten zu führen.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Urteil vom 22. Januar 2025 – 11 K 2880/20