Ein presserechtlicher Auskunftsanspruch kann auch gegenüber
Aktiengesellschaften geltend gemacht werden, die im Bereich der
Daseinsvorsorge (hier: Wasser- und Energieversorgung, Abwasserentsorgung)
tätig sind und deren Anteile sich mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen
Hand befinden. Das hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH)
entschieden.
Der Kläger ist Journalist und arbeitet an einem Artikel über die
Finanzierung des Bundestagswahlkampfs der SPD im Jahr 2013 und früherer
Landtagswahlkämpfe der SPD in Nordrhein-Westfalen. In diesem Zusammenhang
recherchiert er, ob in den Jahren 2010 und 2013 betriebene Internetblogs, in
denen die Wahlkämpfen der SPD unterstützende Beiträge und Dokumente
veröffentlicht worden sind, mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden.
Seine Klage richtet sich gegen eine Aktiengesellschaft, die Leistungen der
Wasser- und Energieversorgung und der Abwasserentsorgung erbringt. Die
Mehrheit der Aktienanteile wird von Kommunen gehalten. Der Journalist hegt
den Verdacht, dass die AG die Internetblogs indirekt finanziert hat, indem
sie an Unternehmen, die mit den Blogs in Verbindung stehen, überhöhte
Zahlungen für angebliche Vertragsleistungen erbracht hat. Er hat die
Beklagte auf Auskunft über die den Unternehmen erteilten Aufträge, die
erbrachten Leistungen und die in Rechnung gestellten Vergütungen in Anspruch
genommen.
Das Landgericht Essen hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Hamm
wiederum die Aktiengesellschaft zur Auskunftserteilung ab dem Jahr 2009
verurteilt. Es hat angenommen, die Beklagte sei nach dem Landespressegesetz
NRW zur Auskunft verpflichtet. Sie sei eine Behörde im presserechtlichen
Sinn, weil sie von kommunalen Aktionären beherrscht und von ihnen zur
Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge
eingesetzt werde. Der Verdacht des Klägers, die Beklagte habe über Zahlungen
an die Unternehmen die Wahlkämpfe der SPD verdeckt finanziert, sei nicht von
vornherein haltlos. Die Beklagte könne die Auskunft nicht unter Verweis auf
schützenswerte Geschäftsgeheimnisse verweigern. Der Auskunftsanspruch
beschränke sich auf Informationen, die im zeitlichen Zusammenhang mit den
Wahlkämpfen stünden.
Mit ihrer Revision begehrt die AG die vollständige Abweisung der Klage. Der
Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision seinen Antrag auf Auskunft. Der
Bundesgerichtshof hat die Anschlussrevision des Klägers zurückgewiesen. Die
Revision der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die
Verurteilung zur Auskunft seit dem Jahr 2014 richtet.
Der BGH hat die Beklagte als auskunftspflichtige Behörde im Sinne des
Landespressegesetzes angesehen. Der presserechtliche Begriff der Behörde
erfasst auch juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen
Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, etwa im Bereich der
Daseinsvorsorge, eingesetzt werden. Eine Beherrschung in diesem Sinne ist in
der Regel anzunehmen, wenn mehr als die Hälfte der Anteile der
privatrechtlichen juristischen Person im Eigentum der öffentlichen Hand
stehen, so die Richter.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Beklagte kann sich
nicht mit Erfolg auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Dem vom Kläger
verfolgten Informationsinteresse kommt ein größeres Gewicht als dem
Interesse der Beklagten und der betroffenen Dienstleistungsunternehmen an
der Geheimhaltung der Vertragskonditionen zu. Im Hinblick auf die
sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel und die politischen Aktivitäten
eines kommunal beherrschten Unternehmens besteht für den BGH ein gewichtiges
öffentliches Informationsinteresse.
Der Auskunftsanspruch umfasst allerdings nur den Zeitraum, für den ein
berechtigtes Informationsinteresse der Presse besteht. Dies ist im
vorleigenden Fall die Zeit von 2009 bis 2013.
Bundesgerichtshof
Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 13/16
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