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Der Staat haftet nicht für Einnahmeausfälle, die durch angeordnete flächendeckende vorübergehende Betriebsschließungen oder Betriebsbeschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus entstanden sind. Das hat der Bundesgerichthof jetzt entschieden.

Geklagt hatte der Inhaber eines Hotel- und Gastronomiebetriebs im Land Brandenburg, der vom 23. März bis zum 7. April 2020 für den Publikumsverkehr schließen musste. Während der Zeit der Schließung seiner Gaststätte bot er Speisen und Getränke im Außerhausverkauf an und er bekam über das staatliche Soforthilfeprogramms 60.000 Euro als Corona-Soforthilfe ausgezahlt. Der Kläger machte geltend, es sei verfassungsrechtlich geboten, ihn und andere Unternehmer für die durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erlittenen Umsatz- und Gewinneinbußen zu entschädigen. In allen Instanzen hatte er mit seinem Begehren keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof erklärte, Hilfeleistungen für schwer getroffene Wirtschaftsbereiche sei keine Aufgabe der Staatshaftung. Vielmehr ließe sich aus dem Sozialstaatsprinzip die Pflicht zu innerstaatlichem Ausgleich folgern, also dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen. Die nähere Ausgestaltung bleibt dem Gesetzgeber trotzdem vorbehalten. Dieser Verpflichtung ist der Staat durch die Auflage von Hilfsprogrammen nachgekommen.

Der erläuterte Fall wurde in einem Pilotverfahren rechtskräftig abgeschlossen, sodass sich Landes- und Oberlandesgerichte bei ähnlichen – und bereits anhängigen – Verfahren nach dem BGH-Urteil richten werden. Allenfalls wäre noch eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht möglich.

 

Weshalb ein Anspruch auf eine Entschädigungszahlung ausscheidet, begründete der BGH unter anderem so:

Die im Verordnungswege nach § 32 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) angeordneten Verbote sind gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen ergangen und der Kläger wurde nicht gezielt personenbezogen als infektionsschutzrechtlicher Störer in Anspruch genommen. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut ist die Vorschrift zudem nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten einschlägig. Die Covid-19-Krankheit hatte sich bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung vom 22. März 2020 deutschlandweit ausgebreitet.

Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm setzt voraus, dass mehrere Deutungen möglich sind. Sie findet ihre Grenze an dem klaren Wortlaut der Bestimmung und darf nicht im Widerspruch zu dem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzes stehen. Der Wortlaut Infektionsschutzgesetz (§ 56 und § 65) sei klar und ließe eine ausdehnende Auslegung nicht zu. Zudem würde der eindeutige Wille des Gesetzgebers konterkariert, nur ausnahmsweise aus Gründen der Billigkeit eine Entschädigung für Störer im infektionsschutzrechtlichen Sinn vorzusehen.

Schließlich fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Den infektionsschutzrechtlichen Entschädigungstatbeständen liegt, was sich insbesondere aus ihrer Entstehungsgeschichte und der Gesetzgebungstätigkeit während der Corona-Pandemie ergibt, die abschließende gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, Entschädigungen auf wenige Fälle punktuell zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen (“Konzept einer punktuellen Entschädigungsgewährung”).

Ebenso ausgeschlossen wurden eine Entschädigung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der sogenannten ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums. Es erscheint dem BGH bereits sehr zweifelhaft, ob dieses Rechtsinstitut, das bislang vor allem auf Härtefälle bei unzumutbaren Belastungen einzelner Eigentümer angewandt worden ist, geeignet ist, auf Pandemielagen sachgerecht im Sinne einer gerechten Lastenverteilung zu reagieren.

Bundesgerichtshof
Urteil vom 17. März 2022 – III ZR 79/21