Hintergrundmusik in Zahnarztpraxis

25.06.15 – Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen im Allgemeinen keine – vergütungspflichtige – öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstellt.

Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und
mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt die ihr von
Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern eingeräumten Rechte zur Nutzung
von Werken der Tonkunst (mit oder ohne Text) wahr. Sie ist von der
Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) und der Gesellschaft zur Verwertung
von Leistungsschutzrechten (GVL) ermächtigt, die von diesen wahrgenommenen
Rechte und Ansprüche der Urheber von Sprachwerken (VG Wort) sowie der
ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller (GVL) geltend zu machen.

Der Beklagte ist Zahnarzt und betreibt eine zahnärztliche Praxis. In deren
Wartebereich werden Hörfunksendungen als Hintergrundmusik übertragen. Die
Parteien haben am 6. August 2003 einen urheberrechtlichen Lizenzvertrag
geschlossen, mit dem die GEMA dem Zahnarzt das Recht zur Nutzung des
Repertoires der GEMA, der VG-Wort und der GVL zur Wiedergabe von
Hörfunksendungen in seiner Praxis gegen Zahlung einer Vergütung eingeräumt
hat.

Der Beklagte erklärte zum 17. Dezember 2012 die fristlose Kündigung des
Lizenzvertrags. Diese begründete er damit, dass die Wiedergabe von
Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen nach dem Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EUGH) vom 15. März 2012 (C-135/10) keine öffentliche
Wiedergabe darstelle.

Die GEMA beansprucht mit ihrer Klage die Zahlung der für den Zeitraum vom 1.
Juni 2012 bis zum 31. Mai 2013 geschuldeten Vergütung von 113,57 Euro. Das
Amtsgericht Düsseldorf hat den Zahnarzt zur Zahlung von 61,64 Euro nebst
Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der
Klägerin vblieb ohne Erfolg. Das Landgericht Düsseldorf hat angenommen, die
Klägerin könne von dem Beklagten lediglich die Zahlung einer anteiligen
Vergütung für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 16. Dezember 2012 in
Höhe von 61,64 Euro beanspruchen. Der Lizenzvertrag sei durch die fristlose
Kündigung des Beklagten mit Wirkung zum 17. Dezember 2012 beendet worden.

Mit der zugelassenen Revision hat die GEMA die Verurteilung des Beklagten
zur Zahlung der auf den Zeitraum vom 17. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013
entfallenden Vergütung 51,93 Euro erstrebt. Sie blieb ohne Erfolg. Der BGH
bestätigt, dass sie die restliche Vergütung nicht beanspruchen könne, weil
der Lizenzvertrag durch die fristlose Kündigung des Beklagten mit Wirkung
zum 17. Dezember 2012 beendet worden ist.

Der Zahnarzt war zu einer fristlosen Kündigung berechtigt, weil die
Geschäftsgrundlage des Lizenzvertrags durch das oben erwähnte Urteil des
EUGH entfallen ist. Daraus ist zu entnehmen, dass eine öffentliche
Wiedergabe gegenüber einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und
recht vielen Personen erfolgt*. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat
ferner entschieden, dass diese Voraussetzungen im Allgemeinen nicht erfüllt
sind, wenn ein Zahnarzt in seiner Praxis für seine Patienten
Hörfunksendungen als Hintergrundmusik wiedergibt.

Der Bundesgerichtshof ist an die Auslegung des Unionsrechts durch den
Gerichtshof der Europäischen Union gebunden und hat die entsprechenden
Bestimmungen des nationalen Rechts richtlinienkonform auszulegen.

Bundesgerichtshof
Urteil vom 18. Juni 2015 – I ZR 14/14

*) gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG; Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der
Richtlinie 2006/115/EG