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Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Mitglieder des Betriebsrats Anspruch auf Erhöhung ihres Arbeitsentgelts in dem Umfang, in dem das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung steigt (§ 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG). Die Darlegungs- und Beweislast für die Vorrausetzung des Anspruchs liegt grundsätzlich bei dem Betriebsratsmitglied. Korrigiert der Arbeitgeber eine mitgeteilte und gewährte angepasste Vergütungserhöhung für das Betriebsratsmitglied, muss wiederum dieser darlegen, dass die Erhöhung objektiv fehlerhaft war.
Der Kläger ist seit 1984 bei einem Automobilhersteller beschäftigt. Er war als Anlagenführer tätig und wurde nach dem Firmentarif entsprechend der Entgeltstufe (ES) 13 vergütet. Seit 2002 ist er Mitglied des Betriebsrats und von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Anfang 2003 teilte ihm der Arbeitgeber mit, sein Arbeitsentgelt werde entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung der Entgeltstufe 14 angepasst. In der Folgezeit erhielt er ähnlich lautende Anpassungsmitteilungen und bezog ab 1. Januar 2015 eine Vergütung nach ES 20. Im Oktober 2015 wurde ihm eine freie Stelle als Fertigungskoordinator angetragen, für die er intern als “Idealbesetzung” galt. Aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit bewarb er sich nicht.
Später überprüfte der Arbeitgeber die Vergütungen freigestellter Betriebsratsmitglieder. Beim Kläger erachtete er eine Vergütung nach ES 18 als zutreffend und forderte für Oktober 2022 bis Januar 2023 die über ES 18 hinaus gezahlte Vergütung zurück. Im Februar 2023 erhielt der Kläger Entgelt nach ES 17, seit März 2023 auf Grundlage von ES 18. Hiergegen richtete sich die Klage des Betriebsratsmitglieds. Er berief sich unter anderem darauf, eine Vergütung nach ES 20 entspreche seiner hypothetischen Karriere zu einer Tätigkeit als Fertigungskoordinator.
Das Landesarbeitsgericht hat den Zahlungsanträgen im Wesentlichen stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger zwar keinen Anspruch auf Vergütung nach ES 20 gemäß der gesetzlichen Vergütungsanpassung habe, wohl aber nach dem sogenannten “fiktiven Beförderungsanspruch”. Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Arbeitgebers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg und führte zu einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Kläger griff wiederum mit seiner Revision die teilweise Abweisung seines Feststellungsantrags an. Hier konnte das Bundesarbeitsgericht nicht abschließend beurteilen, ob die Zahlungsanträge des Klägers begründet sind.
Das Landesarbeitsgericht hat bei dem hauptsächlich zur Entscheidung gestellten Anpassungsanspruch die Darlegungs- und Beweislast beim Kläger gesehen. Ermittelt jedoch – wie vorliegend – der Arbeitgeber eine Vergütungsanpassung für das freigestellte Betriebsratsmitglied, teilt ihm diese mit und zahlt eine dementsprechende Vergütung, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für deren objektive Fehlerhaftigkeit, wenn er im Nachhinein die Bemessung des Arbeitsentgelts korrigiert. In diesem Fall muss der beklagte Arbeitgeber die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsanpassung noch darlegen und gegebenenfalls beweisen, ehe das Landesarbeitsgericht über die Zahlungsanträge aufgrund des hilfsweise erhobenen Anspruchs des Klägers infolge des Verbots einer Benachteiligung bei seiner beruflichen Entwicklung zu befinden hat.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 20. März 2025 – 7 AZR 46/24