Die Verleihung einer Bezeichnung als Fachanwalt setzt voraus, dass der Rechtsanwalt den Erwerb besonderer theoretischer Kenntnisse im Fachgebiet nachweist. Der Nachweis kann regelmäßig durch die erfolgreiche Teilnahme an
einem Fachanwaltslehrgang geführt werden, der die relevanten, in der
Fachanwaltsordnung (FAO) genannten Bereiche des Fachgebiets umfasst. Der
Nachweis des Erwerbs theoretischer Kenntnisse außerhalb eines Lehrgangs muss
sich ebenfalls auf alle relevanten Bereiche des Fachgebiets erstrecken. Das
folgt aus einem Urteil des Anwaltsgerichtshofs für das Land
Nordrhein-Westfalen.

Der 1948 geborene, klagende Rechtsanwalt aus Wuppertal beantragte 2013 bei
der zuständigen Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, ihm die Bezeichnung
“Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht” zu verleihen. Einen auf die
Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden Lehrgang hatte er nicht absolviert.
Zur Begründung seines Antrags verwies er zum einen auf seine
Veröffentlichungen, die die abverlangten besonderen theoretischen Kenntnisse
nachwiesen, sowie zum anderen auf eine Schwerbehinderung, die seiner
Lehrgangsteilnahme entgegenstehe. Gegen den ablehnenden Bescheid der
Rechtsanwaltskammer erhob er beim Anwaltsgerichtshof des Landes
Nordrhein-Westfalen Verpflichtungsklage.

Die Verpflichtungsklage ist erfolglos geblieben. Der 1. Senat des
Anwaltsgerichtshofs NRW hat den ablehnenden Bescheid der Rechtsanwaltskammer
Düsseldorf bestätigt.

Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger außerhalb eines
Lehrgangs die für die Fachanwaltsverleihung notwendigen theoretischen
Kenntnisse erworben habe. Der Kläger habe nicht belegt, dass er über
besondere theoretische Kenntnisse in allen in § 14 l FAO genannten Bereichen
des Bank- und Kapitalmarktrechts verfüge. Einige Teilbereiche dieser
Bestimmung würden von den vom Kläger vorgelegten Veröffentlichungen nicht
erfasst. Die in Ergänzung hierzu vorgelegte Stellungnahme einer
Anwaltskollegin sei allgemein und pauschal gehalten und bereits deswegen
kein geeigneter Nachweis, so die Richter. Die in einzelnen Bereichen nicht
nachgewiesenen Fachkenntnisse seien somit auch nicht durch ein mit dem
Kläger geführtes Fachgespräch zu ersetzen.

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen ebenfalls
keine Ausnahmebewilligung und damit Befreiung von der Teilnahme an einem
Fachanwaltslehrgang mit Klausurenpflicht. Der Antwaltsgerichtshof verwies
dabei auf die Möglichkeit von Fernlehrgängen, welche auch der Kläger
absolvieren könne. Sie seien zwar mit Klausuren abzuschließen, bei denen
eine Präsenzpflicht bestehe. Insoweit würden Teilnehmern mit Behinderungen
aber – das sei gerichtsbekannt – Schreiberleichterungen eingeräumt. Dass der
Kläger auch mit Schreiberleichterungen keine Klausur schreiben könne, hat er
im Verfahren nicht vorgetragen.

Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 21.
August 2015 – 1 AGH 11/14; veröffentlicht am 7. Oktober 2015

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