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Besuchen Halbgeschwister, die mit dem gemeinsamen Elternteil zusammenleben, gleichzeitig im Stadtgebiet Kindertageseinrichtungen, sind bei der Festsetzung von Elternbeiträgen hierfür satzungsrechtliche Geschwisterermäßigungen oder -befreiungen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Halbgeschwister neben dem gemeinsamen Elternteil auch mit dem anderen Elternteil des einen Kindes in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG Nordrhein-Westfalen entschieden.

In zugrundeliegenden Fall besuchte die gemeinsame, im Juli 2019 geborene Tochter der Kläger im Schuljahr 2021/22 eine Kita in der Stadt Witten. Mit ihr und ihren Eltern lebte seinerzeit ein weiteres von der Klägerin, nicht aber vom Kläger abstammendes Kind in der gemeinsamen Wohnung, das dieselbe Einrichtung besuchte, wofür wegen Vollendung des vierten Lebensjahrs aufgrund einer landesrechtlichen Bestimmung (Kinderbildungsgesetz – KiBiz) kein Elternbeitrag zu leisten war. Die Stadt setzte gegenüber den Klägern auf Basis ihres gemeinsamen Jahreseinkommens allerdings einen monatlichen Elternbeitrag in Höhe von 313 Euro fest.

Das gemeinsame Kind der Kläger ist als weiteres Kind der Familie im Sinne der Geschwisterregelungen in der Satzung zu berücksichtigen, entschied das Oberverwaltungsgericht und gab damit den Klägern Recht.
Zur Begründung führte das OVG im Wesentlichen an: Die Gemeinschaft zweier leiblicher Kinder derselben Mutter mit dieser und deren neuem Partner, der Vater nur eines der beiden Kinder ist, ist bereits unter Zugrundelegung eines verfassungsrechtlichen Begriffsverständnisses als eine Familie anzusehen. Ein anderes Verständnis des Familien- beziehungsweise Geschwisterbegriffs lässt sich weder der städtischen Satzung noch höherrangigem Recht entnehmen. Die auf einer Ermächtigung des Landesgesetzgebers beruhende allgemeine Geschwisterregelung in der Satzung – bei mehreren Kindern nur ein Elternbeitrag – entspricht im Kern einer früheren landesgesetzlichen Regelung. Dieser lag allgemein eine Entlastung von Familien mit mehreren Kindern zugrunde, ohne dass etwa nach Voll- oder Halbgeschwistern unterschieden wurde.

Bei dem Umstand, dass mehrere mit einem oder beiden Elternteilen in einem Haushalt zusammenlebende Kinder Angebote der Tagesbetreuung in Anspruch nehmen, für die jedenfalls der gemeinsame Elternteil grundsätzlich beitragspflichtig wäre, handelt es sich um einen Gesichtspunkt der sozialen Staffelung der Kostenbeiträge. Diese ist sowohl im Bundes- als auch im Landesrecht angelegt und ermöglicht neben der – mit dem Einkommen korrespondierenden – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beitragspflichtigen auch die Berücksichtigung anderer Aspekte wie der Zahl der im gemeinsamen Haushalt lebenden und in Kindertageseinrichtungen zu betreuenden Kinder.

Vor diesem Hintergrund kommt eine Differenzierung danach, dass beide Kläger für das mit ihnen zusammenlebende gemeinsame Kind beitragspflichtig sind, während das ältere Kind allein von der Klägerin abstammt und nur diese insoweit beitragspflichtig sein kann, nicht in Betracht.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.

Oberverwaltungsgericht NRW
Urteil vom 27. November 2024 – 12 A 1627/22