Kündigung von zuteilungsreifen Bausparverträgen

28.02.17 – Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
(BGH) hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren
entschieden, dass eine Bausparkasse Bausparverträge kündigen kann, wenn die
Verträge seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind, auch wenn diese noch
nicht voll bespart sind.

In dem Verfahren XI ZR 185/16 schloss die Klägerin am 13. September 1978 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM (= 20.451,68 €). Der Bausparvertrag war seit dem 1. April 1993 zuteilungsreif. Am 12. Januar 2015 erklärte die beklagte Bausparkasse die Kündigung des Vertrags zum 24. Juli 2015 unter Berufung auf das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 489 Abs. 1 BGB). Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Bausparvertrag nicht wirksam hätte gekündigt werden können, und begehrt in der Hauptsache die Feststellung, dass der Bausparvertrag nicht durch die erklärte Kündigung beendet worden ist.

In dem Verfahren XI ZR 272/16 schloss die Klägerin gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann, den sie als Alleinerbin beerbt hat, mit der beklagten Bausparkasse am 10. März 1999 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 160.000 DM (= 81.806,70 €) und am 25. März 1999 einen weiteren Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM (= 20.451,68 €). Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 wurden beide Bausparverträge mit Wirkung zum 24. Juli 2015 seitens der Bausparkasse gekündigt, nachdem diese seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreife waren. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die erklärten Kündigungen unwirksam seien, weil der Beklagten kein Kündigungsrecht zustehe.

In beiden Verfahren hat das Landgericht die Klagen abgewiesen. Das Berufungsgericht änderte die Urteile ab und gab der Klage mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen statt. Der Bundesgerichtshof hat in beiden Revisionsverfahren die Urteile des Berufungsgerichts aufgehoben, soweit zum Nachteil der beklagten Bausparkassen entschieden worden ist, und die erstinstanzlichen Urteile wiederhergestellt. Damit hatten die Klagen keinen Erfolg.

Auf die Bausparverträge ist Darlehensrecht anzuwenden, denn während der Ansparphase eines Bausparvertrags ist die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber. Erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens kommt es zu einem Rollenwechsel.

Der BGH hat in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur entschieden, dass die Kündigungsvorschrift des BGB auch zugunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar ist. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm, wonach jeder Darlehensnehmer nach Ablauf von zehn Jahren nach Empfang des Darlehens die Möglichkeit haben soll, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen.

Ebenfalls in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur ist entschieden worden, dass die Voraussetzungen des Kündigungsrechts vorliegen. Denn mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife hat die Bausparkasse unter Berücksichtigung des Zwecks des Bausparvertrags das Darlehen des Bausparers vollständig empfangen. Der Vertragszweck besteht für den Bausparer darin, durch die Erbringung von Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen. Aufgrund dessen hat er das damit korrespondierende Zweckdarlehen mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife vollständig gewährt. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass der Bausparer verpflichtet sein kann, über den Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife hinaus weitere Ansparleistungen zu erbringen, weil diese Zahlungen nicht mehr der Erfüllung des Vertragszwecks dienen.

Danach sind Bausparverträge im Regelfall zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündbar. Aus diesem Grunde sind hier die von der beklagten Bausparkasse jeweils mehr als zehn Jahre nach erstmaliger Zuteilungsreife erklärten Kündigungen der Bausparverträge wirksam.

Bundesgerichtshof
Urteile vom 21. Februar 2017 – XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16