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Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss, die die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) rechtfertigen, liegen nur dann vor, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten je eine oder mehrere solche Zuwiderhandlungen begangen hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Die Klägerin begehrte die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Wegen in Tatmehrheit im Sinne des Strafgesetzbuchs begangener fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort hatte sie das Amtsgericht rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt und ihr die Fahrerlaubnis entzogen.

Die Klägerin fuhr am 2. April 2015 mit ihrem Pkw in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand (Blutalkoholkonzentration von 0,68 Promille) auf den Parkplatz eines Supermarkts. Nach dem Einkauf parkte sie rückwärts aus und fuhr dabei auf einen hinter ihrem Fahrzeug stehenden Wagen auf. Sie stieg aus und begutachtete den entstandenen Schaden, fuhr dann aber nach Hause, ohne die erforderlichen Unfallfeststellungen treffen zu lassen. Als sie im März 2018 die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, forderte die Behörde von ihr die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Sie habe am 2. April 2015 wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen, die Zweifel an ihrer Fahreignung begründeten. Zwischen den beiden Fahrten liege mit dem Aussteigen aus dem Fahrzeug und der Begutachtung des Schadens eine Zäsur. Da die Frau das Gutachten nicht beibrachte, wurde die Fahrerlaubniserteilung abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte ihre Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen sprach der Klägerin die Erteilung der Fahrerlaubnis zu. Bei dem Geschehen am 2. April 2015 habe es sich nicht um wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gehandelt. Das setze voraus, dass es bei natürlicher Betrachtungsweise zu mindestens zwei deutlich voneinander abgrenzbaren Trunkenheitsfahrten gekommen sei. Bei dem Ausparkunfall nebst Aussteigen und Betrachten der Fahrzeuge habe es sich nur um eine kurzzeitige Unterbrechung gehandelt, die – auch in der Gesamtbetrachtung mit der vorherigen Fahrtunterbrechung für den Einkauf – keinen neuen und eigenständigen Lebenssachverhalt begründet habe.

Im Revisionsverfahren bestätigte das Bundesverwaltungsgericht das Urteil. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis.

Bundesverwaltungsgericht
Urteil vom 14. Dezember 2023 – 3 C 10.22