Privatsphäre von Arbeitnehmern bei Internetnutzung am Arbeitsplatz

12.09.17 – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält es für unzulässig, einen Arbeitnehmer zu entlassen, weil die Überwachung seines E-Mail-Verkehrs ergeben hat, dass er mehrfach private E-Mails mit Angehörigen ausgetauscht hat.

Dem Fall zugrunde lag eine Beschwerde eines rumänischen Bürgers. Er war drei
Jahre in einer privaten Gesellschaft als Ingenieur angestellt, als er
gekündigt wurde, weil herausgefunden worden war, dass er mehrfach private
E-Mails mit Angehörigen ausgetauscht hatte, die einen vertraulichen
Charakter hatten. Dabei hatte der Arbeitgeber kurz zuvor bereits gegenüber
seinen Angestellten mitgeteilt, dass eine Angestellte entlassen worden war,
weil sie privat Internet, Telefon und Fotokopierer genutzt hatte.
Offensichtlich überwachte der Arbeitgeber die E-Mail-Kommunikation seiner
Mitarbeiter umfassend.

Vor den nationalen Gerichten war der Beschwerdeführer in allen Instanzen
unterlegen. Auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war er
zunächst gescheitert, als die Kammer seine Beschwerde zurückwies. Die Große
Kammer gab nunmehr seiner Beschwerde statt.

Sie befand, dass die Mitteilung über die Entlassung einer anderen
Mitarbeiterin keine ausreichende Warnung hinsichtlich der betrieblichen
Überwachung des E-Mail-Verkehrs sei. Auch hätten die nationalen Gerichte
nicht ausreichend begründet, warum es notwendig war, den E-Mail-Verkehr des
Beschwerdeführers so weitreichend zu überwachen. Da die Computernutzung der
von Artikel 8 geschützten Privatsphäre und der E-Mail-Verkehr dem von
Artikel 8 ebenfalls geschützten Briefverkehr unterfallen, liegt eine
Verletzung des Paragraphen vor.

Die Entscheidung stärkt die Rechte von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz und
zudem die Privatsphäre vor Angriffen aus Gründen der Verhinderung und
Verfolgung von Rechtsverstößen, erklärt der Verband Deutscher Anwälte (VDA)
in einer Pressemitteilung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte. Rückschlüsse darauf, dass die private E-Mail-Nutzung am
Arbeitsplatz unbegrenzt zulässig ist, erlaubt die Entscheidung nicht.

Darüber hinaus kann auch nicht pauschal darauf geschlossen werden, eine
fristlose Kündigung sei unzulässig, wenn jemand die Tk-Einrichtungen des
Arbeitsplatzes privat nutzt. Es bleibt eine Frage des Einzelfalls.Nach wie
vor ist die Abwägung zwischen dem Recht des Arbeitnehmers auf Privatsphäre
und dem Recht des Arbeitgebers auf unbeeinträchtigte Arbeitsabläufe
schwierig vorzunehmen, sodass eine rechtliche Beratung in diesem Bereich
unerlässlich ist.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Urteil vom 5.
September 2017
VDA-Pressemitteilung vom 7. September 2017