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Öffentliche Bibliotheken dürfen auch weiterhin an allen Sonn- und Feiertagen geöffnet haben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden und damit eine Klage der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgewiesen.

Nach dem Arbeitszeitgesetz kann die Landesregierung Ausnahmen vom Verbot einer Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe für Betriebe zulassen, in denen eine solche Beschäftigung zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist. Geregelt ist dies in der Bedarfsgewerbeverordnung.

Öffentliche Bibliotheken dienen nach Auffassung des Gesetzgebers als sogenannte Dritte Orte der Begegnung, Kommunikation, gesellschaftlichen Integration, Information, der (staatsbürgerlichen) Bildung, als Stätten der Familie sowie als kulturelle Veranstaltungsorte. Sie bieten Menschen aus unterschiedlichen sozialen Kontexten auch im ländlichen Raum und in kleinen Städten einen zentralen, besonders niederschwellig zugänglichen, nicht-kommerziellen Raum für die Freizeitgestaltung. Insofern wird eine Sonntagsarbeit von Bibliotheksmitarbeitern durch zumutbare planerische Vorkehrungen gestattet.

Die Gewerkschaft führte in ihrem Antrag eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2014 (Az. 6 CN 1.13) zur hessischen Bedarfsgewerbeverordnung an. Es urteilte, die Voraussetzungen für eine sonn- und feiertägliche Öffnung öffentlicher Bibliotheken würden grundsätzlich nicht vorliegen, weil Nutzer die in Bibliotheken vorgehaltenen Medien an Werktagen für das Wochenende ausleihen könnten. Das OVG NRW begründete indes: Auf der Grundlage schlüssiger und vertretbarer Annahmen des Verordnungsgebers besteht angesichts der gewandelten kulturellen Funktionen öffentlicher Bibliotheken als niederschwellig zugängliche, nicht-kommerzielle Orte der Kultur jedenfalls in Nordrhein-Westfalen an Sonn- und Feiertagen ein Bedürfnis für die Nutzung derartiger Bibliotheksräume an Ort und Stelle, welches eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in solchen öffentlichen Bibliotheken an diesen Tagen als erforderlich erscheinen lässt.

Die im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren befragten Sachverständigen – mit Ausnahme der Gewerkschaft ver.di – waren einhellig der Auffassung, dass gerade die Sonn- und Feiertagsöffnungen der öffentlichen Bibliotheken, die ihre im Kulturgesetzbuch NRW beschriebenen kulturellen Funktionen erfüllen, einen erheblichen Besucherstrom aus verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen anziehen. Dabei waren auch Erfahrungen mit sonntags geöffneten Bibliotheken ausgewertet worden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Oberverwaltungsgericht NRW
Urteil vom 1. Juni 2023 – 4 D 94/20.NE