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Wenn ein Passagier seinen Flug versäumt, weil er oder seine mitreisenden Familienmitglieder nicht die Voraussetzungen für die automatisierte Grenzkontrolle “EasyPASS” erfüllen, hat er keinen Anspruch auf Schadenersatz. Das hat der für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden.

Das elektronischen Grenzkontrollsystem “EasyPASS” ermöglicht ein schnelleres Passieren der Grenzkontrolle, indem die Identität des Reisenden sowie die Echtheit und Gültigkeit des elektronischen Reisedokuments automatisiert überprüft werden. Die Nutzung ist allerdings erst ab einem Alter von zwölf Jahren möglich. Hierauf hatte der Betreiber des Flughafens auf seiner Internetseite nicht hingewiesen, worauf sich der Kläger vor Gericht berief. Dieser hatte für sich, seine Ehefrau sowie die drei minderjährigen Kinder einen Überseeflug gebucht und ihn verpasst, weil sie nach Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen das Abfluggate nicht mehr rechtzeitig erreichte.

Die planmäßige Abflugzeit war um 12.15 Uhr. Der Kläger erklärte, seine Familie habe das Reisegepäck um 10.07 Uhr am Check-in-Schalter aufgegeben und um 11.10 Uhr habe man sich zur Sicherheitskontrolle begeben und diese um 11.35 Uhr passiert. Anschließend seien sie zu den elektronischen Passkontrollen gegangen. Diese hätten aber nicht genutzt werden können, da seine jüngste Tochter noch keine zwölf Jahre alt gewesen sei. Die Familie sei deshalb an die zwei mit Personal besetzten Durchgänge verwiesen worden. Dort sei bei der Kontrolle eines anderen Passagiers ein Problem aufgetreten, was zu einer Verzögerung von 20 Minuten geführt habe. Obwohl der Familienvater eine Mitarbeiterin auf das drohende Verpassen des Abflugs hingewiesen habe, sei er in der Warteschlange nicht vorgezogen worden.

Mit seiner Klage begehrte er die Erstattung von 2980,08 Euro für Erwerb eines Ersatztickets, zusätzliche Hotel- und Fahrtkosten nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Sie blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH ließ offen, ob zwischen dem Flughafenbetreiber und dem Kläger eine vertragliche Beziehung bestand, aus der Schadensersatzansprüche hergeleitet werden könnten. Allerdings fällt die Organisation der Passkontrollen nicht in den Verantwortungsbereich der Flughafenbetriebsgesellschaft, sondern in den der Bundespolizei. Der Flughafenbetreiber hat insoweit keine Einflussmöglichkeiten, insbesondere ist es ihm verwehrt, einzelne, verspätete Reisende durch ein Vorziehen der Passkontrolle gegenüber rechtzeitig erschienenen Passagieren zu privilegieren. Zudem ergaben sich aus dem Klägervortrag keine Anhaltspunkte für eine unangemessene, auf einem Organisationsmangel beruhende Verzögerung der Passkontrolle. Nach seinen Angaben hat er um 11.35 Uhr die Sicherheitskontrolle passiert und das Abfluggate kurz nach 12 Uhr erreicht. Die Passkontrolle sei somit zügig durchgeführt worden, so die Richter.

Eine Pflichtverletzung war dem Flughafenbetreiber auch nicht vorzuwerfen wegen des fehlenden Hinweises im Internet auf das Mindestalter für “EasyPASS”. Der Kläger hätte sich über die Nutzungsbedingungen näher, etwa über die hierfür eingerichtete Interseite der Bundespolizei, informieren müssen. Verzichtet der Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem nutzen möchte, ohne sich rechtzeitig über dessen Modalitäten zu informieren, begibt er sich freiwillig in eine prekäre Situation, deren Folgen letztlich von ihm herbeigeführt und von ihm zu tragen sind. Im Übrigen darf sich ein Fluggast auch nicht auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten elektronischen Grenzkontrolle verlassen.

Schließlich sah das Gericht auch noch ein Selbstverschulden des Klägers und seiner Familie darin, dass sie – wie selbst vorgetragen – nach der Gepäckaufgabe um 10.07 Uhr erst um 11.10 Uhr zur Sicherheitskontrolle ging, weil sie noch “in das ein oder andere Geschäft geschaut” habe. Damit habe die Familie rund eine Stunde leichtsinnig “verbummelt”, so das Gericht.

Bundesgerichtshof
Urteil vom 8. Dezember 2022 – III ZR 204/21