Foto: pixabay.com

Bei einem Mangel an Flughafenpersonal für die Gepäckverladung, der zu einer großen Verspätung eines Flugs geführt hat, kann es sich um einen “außergewöhnlichen Umstand” handeln. Was das bedeutet, hat er der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem Urteil festgestellt.

Im Jahr 2021 kam es bei einem von der Gesellschaft TAS ausgeführten Flug von Köln-Bonn zur griechischen Insel Kos zu einer Verspätung von 3:49 Stunden. Diese Verspätung war auf mehrere Gründe zurückzuführen, hauptsächlich aber auf einen Mangel an Personal des Flughafens für die Gepäckverladung in das Flugzeug. Mehrere betroffene Fluggäste hatten ihre etwaigen Ausgleichsansprüche an den Rechtsdienstleister Flightright abgetreten. Mit seiner Klage gegen TAS wollte er geltend machen, dass die Verspätung TAS zurechenbar sei und nicht durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt werden könne.

Nach dem Unionsrecht ist eine Fluggesellschaft nicht verpflichtet, für eine große Verspätung, das heißt eine Verspätung von mehr als drei Stunden, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn sie nachweisen kann, dass die Verspätung auf “außergewöhnliche Umstände” zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Das mit dem Rechtsstreit befasste deutsche Gericht fragte den Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsersuchen, ob es sich bei einem Mangel an Personal bei dem für die Gepäckverladung in die Flugzeuge verantwortlichen Flughafenbetreiber um einen “außergewöhnlichen Umstand” handeln kann.

Der Gerichtshof hat dies bejaht. Ein “außergewöhnlicher Umstand” liegt vor, wenn das Vorkommnis erstens weder seiner Natur noch seiner Ursache nach Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist und zweitens von ihr nicht tatsächlich beherrschbar ist. Es ist nun Sache des deutschen Gerichts, zu beurteilen, ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind. Demzufolge wird es erstens zu beurteilen haben, ob im vorliegenden Fall die bei der Gepäckverladung festgestellten Mängel als allgemeine Mängel anzusehen sind. Wäre dies der Fall, könnten die Mängel kein Vorkommnis darstellen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist. Zweitens wird es zu beurteilen haben, ob die Mängel von TAS nicht beherrschbar waren. Dies wäre insbesondere dann nicht der Fall, wenn die beklagte Fluggesellschaft befugt wäre, eine tatsächliche Kontrolle über den Flughafenbetreiber auszuüben.

Selbst wenn das deutsche Gericht feststellen sollte, dass es sich bei dem fraglichen Personalmangel um einen “außergewöhnlichen Umstand” handelt, wird TAS ferner zur Befreiung von ihrer Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste zum einen nachweisen müssen, dass sich dieser Umstand auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, und zum anderen, dass sie gegen dessen Folgen alle der Situation angemessenen Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen hat.

Gerichtshof der Europäischen Union
Urteil vom 16. Mai 2024 – C-405/23