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Einer schwangeren Arbeitnehmerin muss eine angemessene Frist eingeräumt werden, um ihre Kündigung vor Gericht anfechten zu können. Eine Frist von zwei Wochen für den Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage ist demnach zu kurz, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Das Arbeitsgericht Mainz hatte ihm die Frage vorgelegt, ob dieser Zeitrahmen mit der Richtlinie 92/85/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz vereinbar ist.
Die Klägerin war in einem Pflegeheim beschäftigt und noch in der Probezeit gekündigt worden. Sie hatte zunächst keine Klage dagegen erhoben, erst drei Wochen nach Ablauf der Kündigungsfrist teilte sie dem Arbeitgeber mit, dass nun eine Schwangerschaft festgestellt wurde, weshalb die Kündigung unwirksam sei. Eine Kündigungsschutzklage reichte sie allerdings auch erst nach einem weiteren Monat beim Arbeitsgericht ein. Dieses vertrat die Auffassung, dass es die Klage normalerweise als verspätet abweisen müsse. Als die Frau von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt und die Klage erhoben hatte, war nämlich die im deutschen Recht vorgesehene ordentliche Frist – drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung – bereits verstrichen gewesen. Überdies hatte sie es versäumt, innerhalb der im deutschen Recht vorgesehenen weiteren Frist von zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage zu stellen.
Auf Anfrage des Arbeitsgerichts hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass nach der deutschen Regelung eine schwangere Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, über eine Frist von drei Wochen verfügt, um eine Klage zu erheben. Dagegen verfügt eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Verstreichen dieser Frist keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, nur über zwei Wochen verfügt, um zu beantragen, eine solche Klage erheben zu können.
Nach Auffassung des Gerichtshofs scheint eine so kurze Frist, insbesondere verglichen mit der ordentlichen Frist von drei Wochen, mit der Richtlinie unvereinbar zu sein. In Anbetracht der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, scheint diese kurze Frist nämlich dazu angetan, es der schwangeren Arbeitnehmerin sehr zu erschweren, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen.
Ob dies tatsächlich der Fall ist, habe das Arbeitsgericht zu prüfen, so der EuGH. Dieses entschied nun nach Erhalt der Antwort des EuGH, dass die Klägerin keine Klagefrist einzuhalten hatte, weshalb der Klage trotz ihrer späten Erhebung stattzugeben war.
Arbeitsgericht Mainz
Urteil vom 10. September 2024 – 4 Ca 1424/22
(EuGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – C-284/23)