Vertragsärzte können zukünftig die Arbeitsunfähigkeit von Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen auch per Videosprechstunde feststellen. Eine entsprechende Anpassung seiner Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 16. Juli beschlossen und dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt. Bei Nichtbeanstandung tritt die Regelung mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Als Voraussetzung für die Krankschreibung per Videosprechstunde gilt insbesondere, dass der Versicherte der behandelnden Arztpraxis bereits bekannt ist und die Erkrankung eine Untersuchung per Video-Chat zulässt. Dabei ist die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf einen Zeitraum von sieben Tagen begrenzt. Eine Folgekrankschreibung per Videosprechstunde ist nur zulässig, wenn die vorherige Krankschreibung aufgrund unmittelbarer persönlicher Untersuchung ausgestellt wurde. Einen Anspruch der Versicherten auf Krankschreibung per Video wird es damit jedoch nicht geben.
Ausgeschlossen bleibt eine Krankschreibung per Videosprechstunde bei Versicherten, die in der betreffenden Arztpraxis bislang noch nie persönlich vorstellig geworden sind, sowie die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit ausschließlich auf Basis etwa eines Online-Fragebogens, einer Chat-Befragung oder eines Telefonats .
Anlass der Richtlinienänderung war die berufsrechtliche Lockerung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung für die in Deutschland tätigen Ärzte in der Musterberufsordnung. Mit der getroffenen Regelung greift der G-BA die Vorgaben der Musterberufsordnung auf und trägt ihnen in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie Rechnung.
Während der Hochphase der Corona-Pandemie gab es bereits ähnliche Erleichterung bei der Krankschreibung. So war es Ärzten von Mitte März bis Ende Mai 2020 erlaubt, nur aufgrund eines Telefonat mit dem Patienten und ohne körperliche Untersuchung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erteilen – zunächst für 14 Tage, später nur noch für sieben Tage. Die jetzt bekannt gemachte Richtlinien-Änderung wurde allerdings ohne Zusammenhang mit der Verbreitung des Coronavirus erarbeitet.
Mit demselben Beschluss setzte der G-BA noch weitere Änderungen an der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie um. So wird ab dem 1. Januar 2021 die Ausfertigung der AU-Bescheinigung für die Krankenkasse digitalisiert und elektronisch übermittelt. Damit setzt der G-BA einen Auftrag aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) um.
Außerdem stellt der G-BA klar, dass die kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 Pflegezeitgesetz keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der AU-Richtlinie darstellt und ergänzte den Punkt in seiner Liste der Ausnahmetatbestände. Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer haben das Recht, für die Versorgung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben. Sie erhalten in dieser Zeit das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld als Entgeltersatzleistung.